Pflegebudget 2025: Wenn Professionalisierung Inklusion verhindert
Die Reform setzt klare Grenzen: Ab 2025 dürfen Krankenhäuser Sitzwachen nur noch refinanzieren, wenn sie von formal qualifizierten Pflegekräften übernommen werden.
Das schließt all jene aus, die bisher als einfache 1:1-Betreuung wertvolle Arbeit geleistet haben – darunter auch viele Menschen mit Beeinträchtigung, Ehrenamtliche oder Quereinsteiger:innen.
Aktuell arbeiten deutschlandweit tausende Helfer:innen ohne formale Pflegeausbildung in der 1:1 Betreuung. Laut Bundesagentur für Arbeit sind fast 80 % der arbeitslosen Pflegehilfskräfte (ca. 43.000 von rund 56.000) ohne Berufsabschluss aktiv auf Arbeitssuche. Das zeigt: Viele potenzielle Unterstützende haben keine formale Qualifikation – und drohen künftig aus finanziellen Gründen aus dem Klinikalltag ausgeschlossen zu werden.
Für mich persönlich heißt das:
Mein Forschungskonzept – Purpose Pulse People (PPP) – sah vor, Menschen mit Behinderung einschließlich geringqualifizierter Betreuer:innen als Sitzwachen einzubinden. Ein inklusives Modell, das Teilhabe und Pflegeentlastung verbinden konnte, wird durch die neue Regelung faktisch unmöglich. Kliniken verlieren damit nicht nur Personalressourcen, sondern Inklusion als gelebte Praxis wird ausgebremst.
Diese Reform ist zwar aus guter Absicht entstanden – nämlich Qualität und Sicherheit durch höhere Professionalisierung zu gewährleisten –, aber sie überträgt eine ungewohnte Belastung auf Krankenhäuser: Bereits heute fehlen laut DKI-Studie in etwa 94 % der Kliniken Stellen in der Akut-pflege – und Sitzwachen-kräfte ohne formale Ausbildung wurden hier oft zur Lücken-Stopfung eingesetzt. Wenn solche Personen künftig nicht refinanzierbar sind, bleiben Einsatzlücken, die schwierig zu schließen sind.
Inklusion bleibt auf der Strecke.
Die Konsequenz: PPP, so wie ich es erforschen wollte, ist in dieser Form derzeit rechtlich und finanziell nicht umsetzbar. Menschen mit Beeinträchtigung verlieren eine sinnvolle Teilhabe-Möglichkeit – genau dort, wo sie zur Pflege beitragen könnten.
Aber: Das bedeutet nicht das Ende der Idee. Statt aufzugeben, brauchen wir jetzt kreative neue Wege:
Mehr Chancen durch modulare Qualifizierungen (z. B. Pflegehelfer*innen-Module), die auch Menschen mit Behinderung absolvieren können
Alternativen zum Pflegebudget: Finanzierung über Ausgleichsabgabe, Stiftungsmodelle oder Kooperation mit Integrationsämtern
Einsatzmöglichkeiten in Bereichen außerhalb der Sitzwache: z. B. psychosoziale Begleitung, Mobilisierungsassistenz, Hospizbetreuung
Die Reform ersetzt nicht den Willen zur Inklusion – sie fordert neue Wege. Ziel muss sein: Eine inklusive Arbeitswelt, in der auch Menschen ohne klassische Pflegeausbildung sichtbar und wertvoll sind.
Gerade jetzt wird deutlich: Forschung und Praxis müssen weitergehen. Wer die Inklusion ernst nimmt, findet neue Schlüssel – auch ohne direkten Zugang zum Pflegebudget. Denn Inklusion ist kein Extra – sie ist längst systemrelevante Realität, die wir gestalten können.